20 August 2009

Ist das Experiment Afghanistan gescheitert?

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afghanistan Am Vorabend der Präsidentenwahl in Afghanistan stellt sich angesichts der ständig  steigenden Zahl von Anschlägen selbst in der Hauptstadt Kabul und der unverhohlenen Drohungen der ständig stärker werdenden Taliban die Frage, ob das Engagement der USA und der NATO nicht über kurz oder lang in einem Fiasko enden wird.

Die Wiederaufbauvorhaben sind schon im Ansatz kläglich gescheitert, Milliarden von Dollar sind weiß Gott wo verschwunden, und die Demokratisierung macht, wenn überhaupt, nur minimale Fortschritte. Immerhin ein Rekord wurde aufgestellt: Das Land wird von der weltweit korruptesten Regierung – ja, was eigentlich? Geführt? Verwaltet? Betrogen? Die Mitglieder der so genannten Regierung sind zum Teil untereinander verfeindet, alle Volksstämme und Gruppen, die den USA oder dem amtierenden Präsidenten Hamid Karzai irgendwie geholfen haben, sind vertreten und naschen am Kuchen mit, so dass von den Hilfsgeldern kaum etwas für das Volk übrig bleibt. Viele sind außerdem noch in den lukrativen Drogenhandel verwickelt, ja selbst die Familie des Präsidenten soll sich daran beteiligen. (Vor kurzem wurde nach einer Schießerei auf einem dem Bruder von Präsident Karzai gehörenden Grundstück bedeutende Mengen Opium sichergestellt.)

Im Wahlkampf, wenn angesichts der grassierenden Korruption überhaupt von einem solchen gesprochen werden kann, konnte der amtierende und wahrscheinlich auch zukünftige Präsident Karzai etliche mehr oder minder chancenreiche Politiker durch lukrative Angebote in Form von Posten und/oder Geld dazu überreden, von einer Kandidatur Abstand zu nehmen. Da das alleine einen Wahlerfolg nicht ausreichen dürfte, um den Wahlerfolg zu garantieren, wurden auch namhafte Stammesführer in hohe Posten gehievt und sogar der berüchtigte usbekische Warlord und Kriegsverbrecher Abdul Raschid Dostum, der bekanntlich tausende gefangene Talibankämpfer in Containern ersticken ließ, aus dem türkischen Exil zurückgeholt und wieder (!) zum Stabschef ernannt. (Das ist fast so, als würde man John Demjanjuk mit der Erarbeitung eines Konzepts zur Reformierung des Strafvollzugs beauftragen.) Hamid Karzai, der lange Zeit als bloße Marionette der Amerikaner galt, zeigt jetzt sein wahres Gesicht, das eines rücksichtslosen und gewieften Machtmenschen, dem seine Position an der Spitze des Staates wichtiger ist als die Zukunft seines Landes. An dieser Entwicklung sind die USA maßgeblich mit schuld, weil sie von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit ihnen genehmen Einzelpersonen gesetzt haben, anstatt politische Gruppierungen zu fördern.

Der Kampf gegen die Taliban war und ist militärisch nicht zu gewinnen. Die selbsternannten „Gotteskrieger“ kann man vielleicht mit Waffengewalt in den Untergrund drängen, was aber nicht viel bringen dürfte, schließlich sind sie Experten im Partisanenkampf, doch besiegen könnte man sie allenfalls moralisch und ideologisch. Diese Chance wurde jedoch schon zu Beginn des Krieges vertan, indem sich die USA mit allen Warlords verbündeten, die gegen die Taliban waren, darunter so dubiose Figuren wie der oben genannte General Dostum, aber viel mehr noch durch die Lügen, mir denen der Krieg herbeigeredet und gerechtfertigt wurde und wird. Dass man dann nicht einmal der versprochene Wiederaufbau mit gebührendem Ernst und Eifer in Angriff nimmt, aber bedenkenlos und mit großem Aufwand Zivilisten bombardiert und völlig Unschuldige in Gefängnissen zu Tode foltert, musste und muss den Unmut vieler Bewohner schüren und den Taliban regen Zulauf bescheren.

Soll Afghanistan in nicht allzu ferner Zukunft ein stabiler und funktionierender Staat werden (was das Land, ganz nebenbei, in seiner ganzen bisherigen Geschichte nie gewesen ist), müssten die Verantwortlichen in den USA und Europa endlich den Mut aufbringen, sich von den dubiosen Figuren, die momentan das politische Geschehen beherrschen, loszusagen und der Korruption Einhalt zu gebieten. Stattdessen sollte man politische Organisationen fördern und endlich in großem Stil mit dem versprochenen Wiederaufbau beginnen, damit die einheimische Bevölkerung Fortschritte sieht und Arbeit bekommt, anstatt immer nur von den Koalitionstruppen wie den Taliban beschossen zu werden. Auch sollte man sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, zumindest mit gemäßigteren Vertretern der „Gotteskrieger“ in Verhandlungen einzutreten und sie allenfalls an der Verwaltung der südlichen Landesteile zu beteiligen.

Militärisch kann man nicht gewinnen, ideologisch und moralisch hat man den Taliban nicht wirklich etwas entgegenzusetzen, und so steht zu befürchten, dass dieser unnötige und von Lügen und Grausamkeiten begleitete Krieg noch jahrelang vor sich hin schwelt.

 

 

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