Bei der UNO-Vollversammlung und dem G-20-Gipfel in Pittsburgh hat die Information, der Iran baue eine zweite Uranaufbereitungsanlage, für viel Aufregung gesorgt. Warum eigentlich? Verfügen nicht sechs der G-20-Staaten selbst über Atomwaffen?
Wie jeder andere Staat hat auch der Iran das Recht – er muss das Recht haben! -, Atomkraft zum Zweck der Energiegewinnung zu nutzen. Führt man sich die Topographie des Landes vor Augen, wird man zugeben müssen, dass der Iran auf diese Art der Energiegewinnung wahrscheinlich in größerem Ausmaß angewiesen ist als viele der Länder, die bereits Atomkraftwerke in Betrieb haben und jetzt als Maßnahme zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes neue Kraftwerke bauen beziehungsweise bestehende ausbauen. Eine wesentliche Voraussetzung, um Uran in der Form von Brennstäben für die Stromerzeugung nutzen zu können, ist dessen Aufbereitung, das heißt Anreicherung. Und dafür benötigt man nun einmal entsprechende Anlagen. Es hat fast den Anschein, als wollten die höchstentwickelten Industrienationen diese Hochtechnologie ausschließlich sich selbst und befreundeten Staaten vorbehalten. Wenn man die Vorschläge, die dem Iran von den USA und anderen gemacht wurden, Revue passieren lässt, kann man sich nur noch an den Kopf fassen. Da wird doch allen Ernstes vorgeschlagen, dass Russland oder ein anderer Staat die Aufbereitung der Brennstäbe übernehmen könnte. Es ist also sicherer, wenn hoch radioaktives Material entweder per Bahn durch die unruhige Kaukasusregion oder auf Schiffen am Horn von Afrika und den dort agierenden Piraten vorbei transportiert wird, als die Aufbereitung des Urans dort vorzunehmen, wo es zum Einsatz kommen soll!?
Bis jetzt wurde kein Beweis dafür erbracht, dass der Iran zu militärischen Zwecken Uran aufbereitet. Deshalb sind auch die Sanktionen der UNO eine Unverschämtheit. Der Iran hat keine internationalen Vorschriften verletzt, sondern der „westen“ vermutet lediglich, dass die Regierung in Teheran vielleicht irgendetwas beabsichtigen könnte. Und selbst wenn dem so wäre? Worin bestünde die große Gefahr?
Etwa darin, dass Terroristen Zugang zu Atomwaffen bekommen könnten? Das ist eine Befürchtung, die schon im Zusammenhang mit den angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen geäußert wurde. Tatsache ist, dass man sehr leicht feststellen kann, woher atomwaffenfähiges Material stammt. Außerdem lässt sich dieses kaum verbergen. Es ist ein riesiger Aufwand, radioaktive Substanzen zu transportieren (Bleibehälter, etc.). Terroristen haben mit Sicherheit ein viel größeres Interesse an biologischen und chemischen Kampfstoffen sowie militärischen Sprengstoffen, die sich sehr gut verbergen, leicht transportieren und ohne den Einsatz von Raketen oder Flugzeugen überall einsetzen lassen.
Bleibt die Bedrohung durch den Iran selbst. Aber gegen wen sollte die Führung in Teheran Atomwaffen einsetzen? Etwa gegen Israel? Das hätte die sofortige atomare Vernichtung des Iran durch die USA zur Folge – und das ist den Mullahs sehr wohl bewusst.
Betrachtet man die strategische Lage im Nahen und Mittleren Osten, dann kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein allfälliges Atomwaffenprogramm des Iran ausschließlich der Verteidigung und der Abschreckung dienen wird. Israel und Pakistan verfügen verbotenerweise über Atomwaffen, die Türkei, mit der der Iran im Wettstreit um Einfluss in den islamischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion liegt, ist Teil der NATO und militärisch hochgerüstet. Der Iran ist von amerikanischen Militärbasen regelrecht eingekreist. Wie würden sich die USA, diese „Vorkämpfer“ für Recht und Frieden fühlen, wenn plötzlich direkt an ihren Grenzen iranische oder russische oder chinesische Militäreinrichtungen entstünden? Die USA, die wegen einiger weniger sowjetischer Rakete auf Kuba um ein Haar den 3. Weltkrieg begonnen hätten? Und diese USA, die den Iran umzingelt haben, fühlen sich jetzt durch dessen Atomprogramm bedroht? Wenn sich jemand bedroht fühlen darf, dann doch wohl der Iran. Und genau um dieser Bedrohung zu begegnen, treibt die Führung in Teheran vermutlich das Atomprogramm so rasch voran. Erst wenn man über Massenvernichtungswaffen verfügt, muss man nicht ständig davor zittern, vielleicht von den USA angegriffen zu werden, wie das Beispiel Nordkorea zeigt. Dass der Irak über keine Massenvernichtungswaffen verfügte, war spätestens in dem Moment klar, als die einzige verbliebene Supermacht mit den Angriffen begann. Denn wie die Geschichte nachdrücklich belegt, legen sich die lieben USA spätestens seit dem 2. Weltkrieg nur mit Gegnern an, die keine ernsthafte Bedrohung darstellen. Durch Mut haben sich die Amis noch nie ausgezeichnet.
Um die „Bedrohung“ durch den Iran noch weiter zu relativieren, hier einige Fakten. Die USA, die ihre Sicherheit gefährdet sehen, waren seit dem Ende des 2. Weltkrieges in weit über 200 (!) militärische Auseinandersetzungen verwickelt – zumeist als Aggressor -, während der Iran seit der Gründung der islamischen Republik nur ein einziges Mal (!) Krieg führte – und zwar zur Verteidigung gegen den Irak, der mit tatkräftiger Unterstützung aus Washington ohne wirklichen Anlass über den Nachbarn herfiel. Warum sollte sich an der prinzipiell friedlichen Haltung des Iran plötzlich etwas ändern? Dieses Gefühl der Bedrohung auf Seiten der USA lässt sich nur damit erklären, dass man dort noch immer der Ansicht ist, gewisse Staaten und Völker seien von Haus aus Böse, dass das Ganze also ein Ausfluss der Weltanschauung ist, die Ronald Reagan dazu veranlasste, die Sowjetunion als „Reich des Bösen“ zu bezeichnen, und Bush junior dazu „inspirierte“, von der „Achse des Bösen“ zu sprechen.
Atomprogramm einstellen soll, dann müsste man dem Land im Gegenzug Sicherheitsgarantien geben und ihn mit konventionellen Waffen so weit aufrüsten, dass er sich gegen alle Nachbarn - auch diejenigen, die über Atomwaffen verfügen – erfolgreich verteidigen kann. Das werden die USA jedoch nie zulassen, da sie sich auf diese Weise der militärischen Option gegen das ungeliebte Mullah-Regime berauben würden.
Schon Jacob Robert Oppenheimer, der „Vater der Atombombe“, der anlässlich der Zündung der ersten A-Bombe in New Mexiko an die Stelle aus der „Bhagavad-Gita“ denken musste, nämlich: „Ich bin zum Tod geworden, dem Zerstörer der Welten“, und sich in der Folge gegen den Bau der Wasserstoffbombe aussprach, meinte, dass die Atombombe viel zu gefährlich sei, als dass sie nur einem Staat zur Verfügung stehen sollte. Entweder dürfen alle Staaten Atomwaffen haben, oder aber keiner. Die derzeitige Situation ist äußerst gefährlich, da sich die Atommächte anmaßen (können), ohne allzu großes Risiko über jeden anderen Staat herzufallen, während sie selbst durch ihr Atomwaffenarsenal weitgehend geschützt sind. Dass gerade die Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich so massiv Sanktionen gegen den kleinen Iran fordern, ist geradezu pervers.
Wenn die USA, die über mehr Atomwaffen verfügen, als alle anderen Länder zusammen, so große Bedenken gegen diese Art von Massenvernichtungswaffen haben, dann sollen sie doch mit gutem Beispiel vorangehen und die Hälfte ihres Arsenals verschrotten – es würde an ihrer militärischen Überlegenheit nicht das geringste ändern.
Wenn Sie zu denjenigen zählen, die der zurzeit von den westlichen Staaten betriebenen Iran-Politik kritisch gegenüberstehen und,sich nicht verängstigen lassen, dann könnten Sie folgenden leicht zu lesenden und nicht sehr dicken Bücher interessieren:
P.S.: Es sei daran erinnert, dass die USA der einzige Staat sind, der Atomwaffen eingesetzt hat, und dass Harry Truman, wenn man seinen Tagebuchaufzeichnungen Glauben schenken darf, sogar mindestens zweimal ernsthaft in betracht gezogen hat, die Sowjetunion und China mit atomaren Mitteln zu vernichten.
Die islamische Republik Iran hingegen hat nie Massenvernichtungswaffen eingesetzt, vielmehr wurden iranische Soldaten und Zivilisten irakischer Giftgasangriffe.
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