03 Oktober 2009

Zensur bei Tate Modern: Nacktbild von Brooke Shields entfernt

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Nachdem sich die Gestalter der Ausstellung „Pop Life: Art in A Material World“ in der Tate Gallery of Modern Art in London aus Vorsichtsgründen mit ihren Anwälten beraten hatten, sollte ein Photo, das die damals 10-jährige Brooke Shields stark geschminkt und in lasziver Pose zeigt, in einem kleinen, abgedunkelten Extraraum gezeigt werden. Journalisten, die die Ausstellung vorab besichtigen konnten, berichten, dass man aufgrund der spärlichen Beleuchtung kaum erkennen konnte, was wirklich darauf zu sehen war. (Diejenigen, die sich selbst eine Meinung bilden möchten, können einen Scan des beanstandeten Bildes unter anderem hier oder bei art-magazin.de (Bild Nr.3) finden.)

Entfernung aufgrund polizeilicher Warnung

Bei dem Photo handelt es sich nicht um das Original von Garry Gross, das auf Wunsch der Mutter von Brooke Shields entstanden sein soll, sondern um eine Bearbeitung des amerikanischen Malers und Photographen Richard Prince aus dem Jahre 1992. (Ein Abzug dieses Bildes wurde übrigens 1999 bei Christie´s für   151.000 US-Dollar versteigert.)copyrightjps

Es war beabsichtigt, vor dem Raum mit dem umstrittenen Bild ein Warnschild anzubringen. Eintritt erst ab 18 Jahren. Doch die Ausstellungsbesucher werden die Photographie nie zu Gesicht bekommen. Die Polizei warnte die Veranstalter, dass das Bild einen Verstoß gegen die Obszönitätsgesetze darstellen, genauer den Tatbestand der Kinderpornographie erfüllen könnte, wie dem „Guardian“ zu entnehmen war. Das inkriminierte Photo wurde – zumindest (und hoffentlich nur) vorübergehend – abgehängt, die Ausstellungskataloge aus dem Verkehr genommen.

NUP_114574_0109 Diese Entscheidung ist durchaus im Sinne der mittlerweile 44-jährigen Brooke Shields, die sich seit Jahren bemüht, die Rechte an den Aufnahmen (das Photo ist Teil einer ganzen Serie) zu erwerben beziehungsweise vor Gericht zu erstreiten. Obwohl, so viel dürfte gegen das hier zur Diskussion stehende Bild auch wieder nicht einzuwenden gehabt haben, denn 22 Jahre später nahm sie für Richard Prince dieselbe Pose noch einmal ein.

Pornographie/Pädophilie oder Kunst – ein ewiges Streitthema. Als Anlässlich der Ausstellung «Darkside I» über die Sexualität in der Fotografie im Fotomuseum Winterthur sagte dessen Direktor Urs Stahel gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz: „Interessanterweise gibt es Bilder, die man vor 20 Jahren problemlos zeigen konnte, heute nicht mehr. Was nur im Entferntesten den Verdacht von Pädophilie wecken könnte, ist Tabu – selbst wenn das vom Photographen nie gemeint war.“

Als Kunstfreund und unvoreingenommener Betrachter muss man sich für den vorauseilenden Gehorsam der Kuratoren und den Verrat an der Freiheit der Kunst schämen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wer da pervers ist: Der Künstler, wie vor allem die professionellen Entrüsteten, also Leute, die das Werk nie gesehen haben, behaupten, oder die Polizeibehörde und die Zensoren, die in jedem Bild nur Pornographie sehen und bei spärlich oder nicht bekleideten Kindern sofort und ausschließlich an Sex denken? Was denken sich diese Leute, wenn sie im Sommer in ein Freibad gehen?


P.S.: Zum Glück ist man bis jetzt noch nicht auf die Idee verfallen, Lois Malles großartigen Film “Pretty Baby”, der von einem Mädchen handelt, das in einem Bordell aufwächst und langsam in den Beruf der Prostituierten hineinwächst, als Kinderpornographie oder abartig einzustufen.

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