Seit bekannt wurde, dass der Schweizer Künstler Christoph Büchel den Swingerclub „Element6“, der sich selbst „Verein der kontaktfreudigen Nachtschwärmer“ nennt, in den Keller der Secession verlegt, ist diese Frage eine der meistdiskutierten in Wien.
Alles kann, nichts muss sein: Getreu diesem allseits bekannten Swingerclub-Motto hat die Wiener FPÖ in der Diskussion um die Verlegung eines entsprechenden Etablissements in die Räumlichkeiten der Secession ein ungewöhnliches Mittel bemüht. In einer Aussendung zeigte sich der Pressedienst der Partei jüngst zu dichterischen Ergüssen inspiriert.
An Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) gerichtet: „Der Mailath ist ein schlimmer Bub und fördert einen Swingerclub! Er dürfte nicht ganz richtig ticken, 90.000 nur für's ...?“
Da unsere Freunde vom rechten Rand offenbar nicht in den Verdacht geraten wollten, Frauen zu diskriminieren, kam auch Finanzstadträtin Renate Brauner (ebenfalls SPÖ) in Sachen Swingerclub zum Handkuss: „Der Mailath swingt, die Brauner lacht - wenn das ist Kunst - dann gute Nacht!“ Natülich blieb auch SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl von freiheitlicher Poesie nicht verschont: „Während alte Leute frieren, lässt Häupl schwitzend kopulieren.“
Anlass der ungewohnten (aber nicht ungewohnt deftigen) Aussendung unter dem ach so lyrischen Titel „Orgien und Gruppensex, der Wiener Steuerzahler peckt's“ (pecken = bezahlen) war die launige Diskussion im Wiener Gemeinderat zum Thema Swingerclub in der Secession, die von der FPÖ in der Fragestunde und mit einer Dringlichen Anfragen initiiert wurde. Während die SPÖ wie gewohnt der Freiheit der Kunst die Stange hielt – schließlich prangt über dem Eingang der Secession der Spruch „Der Kunst ihre Freiheit“ -, wies FPÖ-Mandatar Gerald Ebinger den Vorwurf von sich, die Aktion des Schweizer Künstlers Christoph Büchel werde nur von den Freiheitlichen als Skandal gesehen: „Es sind nicht nur wir, die sabbern wie ein Pawlowscher Hund.“ (sic!)
Doch abseits der politischen Erregung bleibt die Frage: „Ist die Installation eines Swingerclubs für sich schon Kunst?“
Christoph Büchel ist bekannt für Arbeiten dieser Art. So hat er etwa vor ein paar Jahren in Kasel Solarium, einen Billig-Supermarkt und ein Wettbüro im Fridericianum installiert – nun ist es eben ein Swingerclub. Dieser ist pikanterweise in den Räumlichkeiten des Beethovenfrieses untergebracht, das tagsüber von Interessierten ganz normal besichtig werden kann, da der Club geschlossen ist. In der Nacht läuft im „Element6“ der normale Swingerbetrieb, doch scheint angesichts einiger Schaulustiger – bis jetzt interessieren sich nur wenige für diese Spektakel – kaum Lust aufzukommen. Abgesehen von einer sehr durchschnittlichen Bondage-Show so gut wie nichts zu sehen, dass man Erotik nennen könnte.
So weit, so gut (oder schlecht).
Doch was bezweckt der Künstler mit seiner Aktion?
Christoph Büchel inszeniert seinen Rauminstallationen und Projekten stets reale Gesellschaftszustände und soziale Situationen, indem er sie in den Kunstraum transportiert. Zugleich spielt er damit auch auf die Raumvermietung von Kulturinstitutionen an.
Die ausgelöste öffentliche Diskussion ist jedenfalls gewollt: Büchel bezieht sich auf jenen Aufruhr, den Gustav Klimt einst mit seinem Beethovenfries ausgelöst hat. Dieses sei heute kein Skandal mehr, im Gegenteil sogar sehr geschätzt, wohingegen die Installierung eines Swingerclubs in den Räumlichkeiten der Secession der damaligen Situation ähnlich sei. Spekuliert Herr Büchel vielleicht darauf, einst als Künstler ebenso geachtet zu werden wie Klimt?
Schade, dass die Installation nicht als ironische Abrechnung mit dem Voyeurismus und der Sexbesessenheit unserer Zeit sowie den lächerlichen Paarungsgewohnheiten der Menschen gedacht ist. Da würde sie mit gleich besser gefallen…
Soll Kunst alles dürfen? Ist alles Kunst? Gehe ich über die Straße oder ist es Performance-Kunst?
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